Gießener Allgemeine vom 12.10.2025
Von: Sascha Jouini
Gießen (jou). Der Saisonauftakt der Winterkonzerte am Samstag im Levi-Saal machte Lust auf mehr: Dozenten und Studierende der Musikhochschule Frankfurt spielten nicht nur nahezu perfekt Franz Schuberts »Oktett« F-Dur (D 803), ebneten darüber hinaus mit ihrer Einführung den Zugang zu dem anspruchsvollen Werk.
Schubert knüpft in dem »Oktett« an die Tradition des Divertimentos an, das unbeschwerte Unterhaltung bieten soll, doch wurde deutlich, dass sich darin streckenweise auch seine depressive Stimmung spiegelt, die ihn während der Entstehung 1824 plagte. Zeugnis von dieser durch Rückschläge verursachten Melancholie lieferte etwa der eingangs rezitierte Brief an seinen Freund Leopold Kupelwieser.
Die künstlerische Messlatte lag denkbar hoch: Schubert wollte mit Beethoven mithalten, dessen »Septett« Es-Dur op. 20 ihm als Vorbild diente, setzte sich zugleich mit sinfonischen Gestaltungsweisen auseinander, um sich »den Weg zur großen Sinfonie« zu bahnen. So vergegenwärtigte das Ensemble durch Hörbeispiele musikalische Berührungspunkte zur kurz nach Vollendung des »Oktetts« komponierten »Sinfonie« C-Dur (D 944).
Jaan Bossier (Klarinette), Clemens Gottschling (Horn), Henrik Rabien (Fagott) sowie Stefan Hempel, Freya Ritts-Kirby (Violinen), Arcan Isenkul (Bratsche), Jan Ickert (Cello) und Lars Alexander Klengel (Kontrabass) gaben in der »Adagio«-Einleitung eine Vorahnung von der emotionalen Komplexität. Den »Allegro«-Hauptsatz spielten sie lebhaft bewegt sowie in klarer Staffelung der Stimmen. Die transparente Akustik des für diese Besetzung idealen Levi-Saals kam der Aufführung sehr zugute. Da spielten exzellente Kammermusiker fein koordiniert und stets formal anschaulich.
Reizvoll wechselte das Thema zwischen Klarinette, Horn und weiteren Instrumenten. Dabei lag in der Gegenüberstellung von Bläsern und Streichern besonderer Charme; mitunter ergaben sich stereofone Effekte. Am meisten aber faszinierten die ausgefeilten Spannungsbögen.
Unmittelbar zu berühren vermochte das elegische Thema im »Adagio«. Klarinettist Jaan Bossier, seit 2022 in Frankfurt Professor für Bläserkammermusik, genügte eine schlanke Tongebung, um der Melodie intensiven Ausdruck zu verleihen. Auf dieser vornehm-eleganten Linie blieb die Interpretation der weiteren Sätzen.
Das energische »Scherzo« mutete wie ein Aufbäumen gegen erlittenes seelisches Leid an und fesselte nicht minder. Im »Andante« stellte der erste Violinist das Thema vor, der Klarinettist spannte es inspiriert fort. Im Verlauf erinnerten die Variationen an eine musikalische Reise, bei der das Thema unterschiedliche Gestalt annahm, bis zu intimen Wendungen. Dabei bildeten sich immer neue Instrumentenkonstellationen heraus.
Die Einleitung zum Finale mit der an- und abschwellenden Dynamik brachte dramatische Zuspitzung und mündete in ein temperamentvoll-befreites »Allegro«. Bis zum Schluss musizierte das Ensemble so virtuos wie künstlerisch eigenständig und wurde für seine hochkarätige Darbietung mit viel Beifall bedacht.