» » » Konzerte 24/25 » Eliot Quartett | Mittwoch 15. Januar 2025, 19.00 Uhr » Presse

Gießener Allgemeine vom 16.1.2025

Forderndes Programm stößt auf offene Ohren

Das Eliot Quartett hat im Rathaus meisterhaft Streichquartett-Meilensteine geboten. © Sascha Jouini

Gießen . Die Winterkonzert-Reihe wurde mit hochrangigen Darbietungen eines preisgekrönten Ensembles fortgesetzt: Das Eliot Quartett, nach 2019 wieder in Gießen zu Gast, schlug in seinem Programm den Bogen von Joseph Haydn über ein modernes Werk von Dmitri Schostakowitsch bis hin zu Franz Schuberts romantischem »Rosamunde-Quartett«. Erfreulicherweise zeigte sich das zahlreiche Publikum im Levi-Saal aufgeschlossen für die fordernde Werkauswahl.

Wie raffiniert Haydn in Nr. 5 G-Dur mit motivisch-thematischer Arbeit spielt, führte das Eliot Quartett anschaulich vor Augen. Die Violinisten Mariana Osipova und Alexander Sachs sowie Bratschist Dmitry Hahalin und Cellist Michael Preuss gefielen im Vivace-Kopfsatz durch musikalisch frische Vortragsweise.

Ungewöhnlich ist bereits der Beginn mit einem Schlussmotiv, das an zentralen Stellen wiederkehrt. Besonders gefiel der vorantreibende Elan des Ensembles, dabei griffen die Stimmen präzise wie ein Uhrwerk ineinander. Abrupte, mit der Erwartungshaltung spielende Wendungen überraschten stets aufs Neue. Opernarienhafte Züge barg die Melodie in der ersten Violine beim Largo. Im Scherzo mit sich verschiebenden Betonungen kostete das Ensemble die gezielte rhythmische Desorientierung aus. Gerade hier amüsierte Haydns Sinn für Humor. Unkomplizierter schien der folgende Variationssatz, der in einen virtuosen Presto-Schluss mündete.

Schostakowitschs 1946 komponiertes Quartett Nr. 3 F-Dur markiert den Abschluss einer Kriegserfahrungen thematisierenden Werkreihe. Der tänzerischen Sphäre im eröffnenden Allegretto haftete etwas Bitteres an. Die Musik steigerte sich ins Extreme, um dann unspektakulär auszuklingen. Grabesstimmung mischte sich beim folgenden Trauersatz mit Abgeklärtheit. Angemessen schroff geriet das Scherzo mit trotzig wirkenden Akkord-Passagen. Die Spannung schien hier kaum steigerbar, derart engagiert trafen die Künstler den militärisch stumpfsinnigen konterkarierenden Charakter. Das Adagio erinnerte an ein schwermütiges Seelenbild. Nach der Tristesse muteten im Finale tänzerisch-befreite Abschnitte wie ein trügerischer Schein an.

Auf andere Weise schien auch das vollendet Schöne bei den Mittelsätzen von Schuberts Quartett a-Moll Nr. 13 eine utopische Welt heraufzubeschwören. Im Andante verwendet Schubert ein Selbstzitat aus der Zwischenaktmusik zum Schauspiel »Rosamunde, Fürstin von Zypern«. Auch im Menuett bezieht er sich auf ein früheres Werk und legt dem Satz das Thema seines Schiller-Liedes »Die Götter Griechenlands« zugrunde.

Mit einer reizenden »Polka«-Zugabe aus Schostakowitschs Ballett »Das goldene Zeitalter« bedankte sich das Quartett für den Applaus.

Sascha Jouini
 


Gießener Anzeiger vom 16.1.2025

Musikalische Sternstunde im Gießener Levi-Saal

Das Frankfurter Eliot Quartett (von links): Mariana Osipova, Alexander Sachs, Dmitry Hahalin und Michael Preuss. Foto: Schultz © Schultz

Das Frankfurter Eliot Quartett brilliert in der Reihe der Gießener Meisterkonzerte mit drei unterschiedlichen Stücken.

Gießen. Ein hinreißendes Konzert gab am Mittwochabend das Frankfurter Eliot Quartett im voll besetzten Hermann-Levi-Saal. Mit Werken von Haydn, Schostakowitsch und Schubert belegten sie einmal mehr ihre maßgebliche Kompetenz in der inhaltlichen Gestaltung von Musik - und ihre unbändige Spiellust, beides auf höchstem Niveau. Das Publikum zeigte sich vollkommen aus dem Häuschen und applaudierte schließlich deutlich länger als üblich.

Den Auftakt machten Mariana Osipova, Alexander Sachs (Violine), Dmitry Hahalin (Viola) und Michael Preuss (Cello) mit Joseph Haydns Streichquartett Nr. 41, G-Dur, op. 33, Nr. 5. Nach hauchzartem Einstieg und lyrischer Zartheit ging es lieblich weiter, und die Dynamikgestaltung dieser äußerst anheimelnden Komposition wurde perfekt realisiert. Hinzu kamen souverän gestaltete Klangräume der Stimmen. Es folgte mehr Energie und ein wunderbares dynamisches Schwingen im musikalischen Fluss. Dann noch ein quicklebendiges Scherzo, federleicht gleichsam auf den Fußspitzen musiziert, und ein toller Abschluss.

Das Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch Nr. 3, F-Dur, op. 73 (1946) brachte inhaltlich eine starke Veränderung des Konzerts. Der Zweite Weltkrieg war gerade vorbei, als der Russe das Werk komponierte. Dem heiteren, eher schwungvollen Tonfall des Beginns folgte ein Wechsel ins Dramatische, Dringliche. Ernste Untertöne tauchten auf. Die tödlichen Zerstörungen des Krieges steigen wiederholt auf. Eine changierende Stimmung, die Geige brachte immer wieder zaghaft ein hoffnungsvolles Motiv mit ein, um dann im Mahlstrom unguter Gefühle unterzugehen. Der zwiespältige Duktus hielt an, wobei immer wieder filigrane Details wirkten, etwa ganz intensive dunkle Wolken. Heiterkeit und Frohsinn kämpften ums Hochkommen, immer wieder fielen harte Schläge.

Im Mittelteil ist das ganze Klanggeschehen emotional dunkel eingefärbt, während die souverän leuchtende Violine positive Zeichen setzt. Dann ein verhaltener Schwenk ins Heitere, unschlüssig vielleicht? Es herrschte bis zum ganz leisen, zarten Schluss ein leicht dissonanter Duktus. Das war mit überragender Geschlossenheit und viel Gefühl musiziert. Das gebannte Publikum applaudierte ausdauernd bis zum Abgang der Künstler in die Garderobe.

Den Abschluss machte Franz Schuberts Streichquartett a-Moll Nr. 13 D 804 op.29 (»Rosamunde«), das mit seinem lieblich verträumten Beginn auch falsche Hoffnungen erweckt. Mal dramatisch und intensiv, mal sanft fließend realisiert klang das, wobei perfekt nuancierte Übergänge zu genießen waren, eine der Stärken des Ensembles, das hier noch mal seine faszinierende Geschlossenheit zeigte. Im dritten Satz ein sanftes Wogen mit etwas Schmelz, obgleich diese Musik nicht nur aufs Wohlbefinden abzielt.

Als Zugabe gab es dann noch etwas Heiteres: Schostakowitschs selbst arrangierte »Polka«: eingängig aber etwas schräg und dynamisch, mit einer witzigen Schlusspointe.

So war eine musikalische Sternstunde zu erleben: Das Eliot Quartett musizierte drei gänzlich unterschiedliche Werke und ließ ihren unverwechselbaren Charakter in allen Facetten leuchten. Zur unerschütterlichen inneren Sicherheit kam ein überragendes technisches Niveau, sodass man nur spürte, worauf es ankam: die reine Musik. Enormer Beifall, die Musiker mussten mehrfach auf die Bühne zurückkehren.