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Gießener Allgemeine vom 19.11.19

Musikalische Höhenflüge

von Sascha Jouini

Geigerin Susanna Yoko Henkel und Pianistin Julia Okruashvili begeistern das Publikum beim Winterkonzert restlos. Ihr Programm verbindet Kompositionen der Wiener Klassik und Romantik zu einem großen Ganzen.

Kammermusikfreunde wussten es zu schätzen, dass der Meisterkonzertverein für das jüngste Winterkonzert erstklassige Musikerinnen hatte gewinnen können, und waren am Montag im Hermann-Levi-Saal zahlreich erschienen. Das Programm verband Kompositionen der Wiener Klassik und Romantik zu einem großen Ganzen. Neugier weckte die eröffnende markante Geste von Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate B-Dur KV 454. In der Largo-Einleitung ließ Violinistin Susanna Yoko Henkel mit ihrem kantablen Spiel aufmerken; Pianistin Julia Okruashvili knüpfte einfühlsam daran an. Schwerelos elegant nahm das Duo beim Allegro-Hauptsatz die Hörer mit auf musikalische Höhenflüge. Eine Wohltat fürs Gemüt war auch das empfindsam dargebotene leidenschaftliche Andante. Wie souverän die Violinistin das ganze Spektrum von sachten Piani bis hin zu voluminösen Spitzen beherrscht, untermauerte sie beim Allegretto-Finale, das ihr gemeinsam mit der ebenbürtigen Klavierpartnerin formal sehr anschaulich gelang.

In stimmungsvolle romantische Sphären entführte Robert Schumanns Sonate Nr. 1 a-Moll. Besonders zu loben ist Henkels facettenreiche, auch in dunklen Registern ausdrucksvolle Vortragsweise. Das Duo horchte intensiv aufeinander und steuerte im Kopfsatz auf eine fulminante Schlusssteigerung zu. Ganz dezent hingegen die mal suchende, dann leicht dahinhuschende Thematik beim Allegretto. Das geistige Spontaneität verströmende, rhythmisch auf den Punkt gebrachte Finale krönte die hervorragende Interpretation.

Mit ausgeprägter poetischer Ader zeichneten Henkel und Okruashvili bei den "Drei Romanzen" op. 22 von Clara Schumann berührende Seelenbilder. Man merkte dem Duo ausgiebige internationale Konzertpraxis an. Da glänzte jede Phrase durch perfekten Schliff in flexiblem Zusammenwirken der Instrumente.

Bei Ludwig van Beethovens c-Moll-Sonate bestätigte sich, was sich schon zuvor gezeigt hatte: Die Künstlerinnen musizierten oft tonstärkemäßig etwas zurückhaltender als das Duo Isang Enders/ Andreas Hering zum Auftakt der Reihe, dafür umso feiner, gleichwohl voller Energie. Hervorzuheben ist die differenzierte Anschlagstechnik der Pianistin zwischen wunderschönem Legato und trockenem Pizzicato. Die Basis bildete im ersten Satz wieder eine äußerst klare Konzeption mit Sinn für Verblüffendes - bis hin zu jähen Dynamiksprüngen. Großartig, wie das Duo beim Adagio emotionale Tiefendimensionen auslotete, dabei dem Thema immer neue Nuancen verlieh. Erfrischend elanvoll geriet das forsch akzentuierte Scherzo. Das animierend vitale Allegro-Finale setzte das i-Tüpfelchen auf ein ausgezeichnetes Konzert. Kräftigem Beifall folgte der letzte Satz aus Brahms’ Sonate op. 100 als Zugabe.

Sascha Jouini

Gießener Anzeiger vom 20.11.2019

Ein höchst wirksamer Zauber

Exzellentes Duo mit Werken von Mozart, Beethoven sowie Clara und Robert Schumann zu Gast beim Verein Gießener Meisterkonzerte

von Heiner Schulz

GIESSEN - Einen weiteren Höhepunkt in der renommierten, vom Verein Gießener Meisterkonzerte aufgelegten Reihe der Winterkonzerte erlebten die Besucher am Montagabend im Hermann-Levi-Saal. Violinistin Susanna Yoko Henkel und Pianistin Julia Okruashvili spielten Werke von Mozart, Schumann und Beethoven in feinster Qualität und ansteckender Spielfreude.
Henkel, 1975 in Freiburg geboren, gewann bereits während ihres Studiums zahlreiche Preise bei internationalen Wettbewerben. 2006 gründete sie in Zagreb ein Kammermusikfestival, welches inzwischen zu den führenden Kulturereignissen Kroatiens gehört. Henkel unterrichtet seit 2010 als Professorin an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und parallel dazu seit 2012 als Gastprofessorin an der Musikakademie in Zagreb. Sie spielt  die "Ex Leslie Tate"-Stradivarius von 1710, eine Leihgabe aus privatem Besitz.
Julia Okruashvlii, geboren 1983 in Moskau, wurde am dortigen Tschaikowsky-Konservatorium, an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt sowie in Mailand ausgebildet. Sie ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe. Als Solistin und Kammermusikpartnerin spielte sie mit hochrangigen Ensembles wie dem Wiener Kammerorchester und dem Hessischen Staatsorchester Wiesbaden. Sie hat Lehraufträge an den Musikhochschulen in Frankfurt und Mainz.
"Sie haben den richtigen Konzertabend gewählt," sagte Dieter Lindheimer, der Vorsitzende des Vereins Gießener Meisterkonzerte, zur Begrüßung frohgemut. Und schon bei den ersten Tönen von Mozarts Sonate für Violine und Klavier in B-Dur, KV 454 in drei Sätzen legte sich ein Zauber über den nüchternen Konzertsaal und den Steinway mit seinem knarzenden Hocker. Dem zarten, fast lyrischen Beginn folgte ein flotter und vom Klavier energischer angelegter Part. Bestechend war die leichthändige Kooperation mit sorgfältig gesetzten Akzenten, einer kundigen Tempogestaltung und schönsten gemeinsamen Temperamentsspitzen. Im zweiten Satz dann sanftes Vorgehen, perfekt zusammen mit einer intuitiven Übereinstimmung bei Volumen und Dynamik - hier erlebte das Publikum wahre Klasse. Perfektes Fließen und hingebungsvolle Ausführung gingen in eine ornamentreiche Melodik über. Die Violine klang leidenschaftlich, ja feurig, das Klavier wurde zur enorm konzentrierten Ergänzung mit fast spielerischer Leichtigkeit und superbem Ausdruck. Selten hörte man in dieser traditionsreichen Konzertreihe ein Duo, das die Grenzen seiner Instrumente konsequent sorgfältig auslotet und kundig nutzt - ein Genuss ohne Einschränkung.
Robert Schumanns Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 in a-Moll op. 105 in drei Sätzen begann mit ungebremstem Temperament und teils triumphierendem Ton, sehr kraftvoll und zugleich hoch transparent. Die Violine fand zu ganz großem Gefühl, zugleich schuf das Duo eine starke, leidenschaftliche Dynamik; ein Glanzlicht, genau wie der folgende Satz, in dem die Violine zart, fast atmend agierte, und das Klavier mittanzte, auch hier wieder herrliche Ausbrüche beider Instrumentalistinnen. Im dritten Satz wurde lustvoll beschleunigt, mit fröhlich theatralischem Duktus, Eruptionen kamen hinzu.
Von Robert zu Clara
Clara Schumanns drei Romanzen für Violine und Klavier präsentierte das Duo wunderbar fließend, mit verspielten Figuren. Dann etwas kräftiger akzentuierend, vielleicht etwas verbindlicher im Stil, ein toller leiser Abschluss. Der dritte Satz dann noch emotionaler doch nicht überschwänglich, mit eher leisem Abschluss, höchst ausdrucksvoll.
Beethovens Sonate für Violine und Klavier Nr. 7 in c-Moll op. 30/2 brachte dann einen intensiven Wetterumschwung. Zu Beginn drängte das Klavier, kraftvoll, zugleich gab es eine superbe Verschränkung der Stimmen, die Violine flog hoch: ein Dynamikgewitter und insgesamt helle Aufregung in diesem machtvollen, fast ostentativen Werk. Dann Beruhigung und bemerkenswert natürliche Dynamikverläufe: zauberhafte Leichtigkeit, eine emotionale Auffassung, jubilierende Dynamiksprünge. Hinreißend, zu welch enormer Übereinstimmung die Musikerinnen fanden: nur frische Lebendigkeit und leidenschaftliches Erleben. Kein Besucher, der nachher nicht lächelnd den Saal verlassen hätte, die große Freude über das herausragende Duo war allen anzusehen.