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Gießener Allgemeine 01.05.2023 (von Sascha Jouini)

In unerschöpflichen Schattierungen

Gießen (jou). Ludwig van Beethoven ermöglicht es mit seinen »Zwölf Variationen über ›Ein Mädchen oder Weibchen‹“ F-Dur Musikliebhabern, die Arie des Papageno aus Wolfgang Amadeus Mozarts »Zauberflöte« rein instrumental im Kammerkonzertrahmen zu erleben. Das Werk bietet zudem Künstlern die Gelegenheit, bei der Charakterisierung des komischen Vogelfängers einen kreativen Spürsinn zu entwickeln.

Cellist Jan Ickert und Pianist Dmitry Ablogin glänzen beim gut besuchten Konzert. © Sascha Jouini

Unschuldige Naivität

Dies gelang Jan Ickert (Cello) und Dmitry Ablogin (Klavier) bei einem erfreulich gut besuchten Sonderkonzert des Meisterkonzertvereins im Hermann-Levi-Saal des Rathauses ausgezeichnet. Das Duo unterstrich die unschuldige Naivität des Themas, das mal im Cello, dann im Klavier, mal schlicht, dann in figurativer Gestalt erschien. Ickert und Ablogin spielten zaghafte, von Pausen durchsetzte Passagen ebenso souverän wie rhythmisch bestimmte. Inspiriert stellten sie langsame und schnelle Variationen in Kontrast und beleuchteten die klagenden Züge der zehnten und elften Nummer - bis das Schlussstück zur anfänglichen Fröhlichkeit zurückführte.

Im Gegensatz zu diesem von der Beliebtheit der Oper profitierenden Werk werden Felix Mendelssohn Bartholdys »Variations Concertantes« D-Dur selten aufgeführt. Ickert und Ablogin luden darin das Thema feinfühlig mit Sehnsucht auf. Eleganz verliehen ihrer Interpretation runde musikalische Bögen sowie flexible Tempi. Die Preisträger internationaler Wettbewerbe meisterten das ganze Spektrum an Vortragsweisen und Spieltechniken - von luftig-leichten Stakkati und Pizzikati bis hin zu geballten dramatischen Spitzen.

Danach waren Beethovens wieder auf der Mozart-Oper basierenden »Sieben Variationen über ›Bei Männern, welche Liebe fühlen‹« Es-Dur fast zu viel des Guten - so schön sie das Duo auch spielte, lieber hätte es sich in der zweiten Programmhälfte komplett anderen Gattungen widmen sollen.

Abwechslung brachte schließlich César Francks eigentlich für die Violine gedachte Sonate A-Dur. Diese war erst kürzlich bei den Wettenberger Winterkonzerten in einer Fassung für Bratsche zu hören und bereitete nun auf Cello und Klavier dank der lyrischen, überaus expressiven Darbietung ebensolchen Genuss. So entlockten Ickert und Ablogin der Musik im Allegretto-moderato-Kopfsatz schier unerschöpfliche Schattierungen. Ansprechend brachten sie im zweiten Satz das leidenschaftliche Drängen herüber; davon abgesetzt der innige Mittelteil. Die furiose Schlusssteigerung riss viele Besucher zu Zwischenapplaus hin. Wie eine leicht melancholische Rückbesinnung auf Erinnerungen muteten das »Recitativo« und die »Fantasia« an. Das gelöste Finale komplettierte das hervorragende Gesamtbild. Recht ruhig geriet der Ausklang des Konzerts mit Gabriel Faurés »Après un rêve« als Zugabe.

 

 

Gießener Anzeiger vom 03.05.2023

Klassikkonzert

Himmlisch dargeboten

Ein brilliantes Duo: Cellist Jan Ickert und Pianist Dmitry Ablogin gastierten auf Einladung des Vereins Gießener Meisterkonzerte im Levi-Saal.

Gießen . Einen großartigen Musikabend erlebten die Besucher des Sonderkonzerts des Vereins Gießener Meisterkonzerte im Hermann-Levi-Saal. Cellist Jan Ickert und Pianist Dmitry Ablogin zeigten mit Werken von Beethoven, Mendelssohn Bartholdy und Franck eine handwerkliche und interpretatorische Meisterleistung, die das Publikum zu donnerndem Applaus hinriss.

Jan Ickert (links) und Dmitry Ablogin zeigten im Levi-Saal eine Meisterleistung. Foto: Schultz © Schultz

Jan Ickert studierte an den Musikhochschulen Wuppertal, Berlin und Frankfurt. Nach großen Erfolgen mit dem von ihm gegründeten Chagall-Quartett hat er seit 2017 eine Professur für Violoncello an der Hochschule in Frankfurt inne. Dmitry Ablogin studierte in Moskau und Frankfurt. 2021 gewann er den 10. Internationalen deutschen Klavierpreis und debütierte an der Frankfurter Alten Oper. Zusätzlich unterrichtet Ablogin an der HSDKM.

Los ging’s in Gießen mit zwölf Variationen über »Ein Mädchen oder Weibchen« aus Mozarts »Zauberflöte«. Es sind zauberhaft-leichtfüßigste Melodien, bei denen Ickert und Ablogin ein exzellentes Zusammenspiel demonstrierten. So stattete das Duo die Evergreens der klassischen Literatur mit perlender Lebendigkeit aus. Dabei spielten humoristische Elemente durchaus eine Rolle: ob mal fröhlich temperamentvoll, verhalten, zart und forsch oder liebevoll verspielt: hier waren zahllose emotionale Nuancen erlebbar. Wobei die Solisten die Vorlage nicht nur ausloteten, sondern vielmehr auskosteten, wonnig auch fürs Publikum.

Felix Mendelssohn Bartholdys »Variations concertantes, op. 17, Andante con moto Variation« kommt mit acht Sätzen daher und bot den Solisten reichlich Gelegenheit, sich im besten Sinne zu profilieren. Nach träumerisch sanftem Beginn wurde es intensiver, und das Cello schwang leidenschaftlich mit. Schnelle Passagen lieferten die Musiker mit bestechender Präzision, bauten eindrucksvolle Klanggipfel, fanden aber auch zu bestechend leisen Passagen mit zartestem instrumentalem Vorgehen mit oft strahlendem Celloklang.

Ludwig van Beethovens Klaviervariationen über »Bei Männern, welche Liebe fühlen«, Es-Dur, WoO 46, begannen die Gäste sanft und engagiert, das Cello sang förmlich, und man konnte elegant verschlungene Interaktionen genießen. Beide Instrumentalisten zeigten Intensität und wieder sensibelstes kongeniales Verschmelzen, sie zelebrierten die herrliche barocke Verspieltheit der Komposition geradezu. Das Publikum im vollen Hause war sich inzwischen sicher, hier einem Glücksgriff gelandet zu haben und applaudierte immer stärker.

Es folgte César Francks Sonate für Violine und Klavier in A-Dur in vier Sätzen. Anfangs schwebte das Klavier förmlich, das Cello sang mit, und es entstand mit schöner Dynamiksteigerung eine solide Spannung. Beide Musiker zeigten sich einzeln wie gemeinsam in ganz großer Form. Auf große Wogen, die fast unmerklich sanft ausklangen, folgte ein Vulkanausbruch: herrlich. Ein Zwischenapplaus war nicht zu unterdrücken. Das Finale wurde dann mit dramaturgische Höhen und Tiefen höchst differenziert gestaltet. Bei aller Wucht wurde die Leichtigkeit des Spiels nie verlassen: einfach famos.

»Was kann nach so einer Musik noch kommen?«, fragte Ickert rhetorisch. »Wir müssen wohl Französisch enden.« Und das war Gabriel Faurés »Après un rêve«. Himmlisch dargeboten.