» » » Archiv » Konzerte 19/20 » Isang Enders - Andreas Hering » Presse

Gießener Allgemeine vom 27.10.2019

Klangstarke Interpretationen

Gießen (jou). Cellist Isang Enders und Pianist Andreas Hering zogen am Samstag beim ersten Winterkonzert im Rathaus bei ihren expressiven Darbietungen am selben Strang und bereiteten intensive Hörerlebnisse. Hering spielte mit ganz geöffnetem Flügel, dies trug zur enormen dynamischen Bandbreite bei; sein Duopartner konnte sich gleichwohl durchsetzen.

Den gelungenen Auftakt markierte Johann Nepomuk Hummels frühromantische Sonate A-Dur op. 104. Enders und Hering verliehen den sangbaren Melodielinien im eröffnenden "Allegro amabile e grazioso" feine Zwischentöne und gefielen mit ihrer weitläufigen, zum Schwelgen einladenden Interpretation. Der  sehnsuchtsvolle Ausdrucksgestus fesselte. In drängender Bewegung führte die Musik zu prägnanten Höhepunkten. Vorwiegend entspannt hingegen die Romanze, in der die Künstler die Beschaulichkeit inspiriert einfingen und dazu resolute Passagen wirkungsvoll in Kontrast stellten. Das ebenso virtuos wie finessenreich gemeisterte Rondo-Finale rundete das Vergnügen ab.

Viele Besucher werden vor allem wegen des Beethoven-Schwerpunkts erschienen sein. Zunächst spielte das Duo die späte D-Dur-Sonate op. 102 Nr. 2 und unterstrich im Allegro-Kopfsatz ansprechend die thematische Angriffslust sowie den lakonischen Humor, der sich in überraschenden Wendungen spiegelte. Wie schon bei Hummel gefielen die klangvolle Tongebung des Cellisten und der kernige Anschlag des Pianisten. Der zugespitzte Vortrag riss regelrecht mit.

In ganz andere Dimensionen führte das nachdenkliche Adagio mit empfindsam beleuchteten Gemütsbewegungen. Sehr schön förderte das Duo zutage, wie die Musik im Finale allmählich anläuft und kontrapunktisch strenge Gestalt annimmt. Dabei blieb es der forcierten, aber nie groben Spielweise treu, die es im ersten Satz eingeschlagen hatte.

Moderne Akzente setzte die Salzburger Fassung (1980) von Arvo Pärts Komposition "Fratres" mit ihrer reduktiven, an Glockenklänge erinnernden Struktur. Herkömmliche Zeitvorstellungen sprengend, muteten die beinahe endlosen Variationen wie ein Exkurs in religiöse Sphären an. Erfreulich aufgeschlossen zeigte sich das Publikum und spendete begeisterten Applaus.

Am Schluss stand die große A-Dur-Sonate op. 69 aus Beethovens mittlerer Schaffensphase. Die markante Konturierung und artikulatorische Klarheit beeindruckten gleichermaßen wie zuvor bei dem Spätwerk. Enders und Hering gingen genau aufeinander ein. Beim Scherzo schien die Luft im Saal zu knistern, derart elektrisierend reizten sie die Spannung aus. Die friedvolle Stimmung im Adagio, einem Zwischengebilde aus Einleitung und verkürztem langsamem Satz, hielt nicht lang an, machte alsbald dem lebhaften Allegro-Finale Platz, in dem die Musik wie befreit dahinströmte. Für den kräftigen Beifall dankte das Duo mit dem Andante aus Sergei Rachmaninows Sonate op. 19 als Zugabe.

Gießener Anzeiger vom 29.10.2019

Die Grenzen der Instrumente ausgereizt

Herausragende Interpretationskunst: Erstes Winterkonzert der Saison im Levi-Saal

Von Heiner Schultz

GIESSEN - Einen himmlisch ruhenden Pol verschaffte den Besuchern das erste Winterkonzert der Saison. Pianist Andreas Hering und Cellist Isang Enders musizierten auf Einladung des Vereins Gießener Meisterkonzerte im Levi-Saal des Rathauses Werke von Hummel, Beethoven und Pärt. Ihre herausragende Interpretationskunst und souveräne Musikalität verzauberten die Zuhörer.

Hering, geboren 1983 in Marburg, ist Preisträger nationaler und internationaler Klavierwettbewerbe. Seit 2012 ist er Klavierlehrer an der Städtischen Musikschule Iserlohn. Seit 2015 hat er zusätzlich einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik in Leipzig inne. Isang Enders, geboren 1988 in Frankfurt, war als 20-Jähriger der jüngste Solocellist Deutschlands, als er ein Engagement der Sächsischen Staatskapelle annahm. 2012 sorgten er und Hering mit der Gesamteinspielung der Werke für Cello und Klavier von Robert Schumann und Isang Yun für Furore; gemeinsam spielen sie außerdem im Ensemble "Ceres".

Schon nach den ersten Sekunden ist den Zuhörern im Levi-Saal bewusst, dass es ein besonderer Abend wird. Hering und Enders beginnen Johann Nepomuk Hummels (1778-1837) Sonate für Cello und Klavier A-Dur op. 104 in drei Sätzen wunderbar rund, stimmig und mit der bestechenden Geschlossenheit, die ihr ganzes weiteres Konzert prägen wird. Das Klavier forsch und kraftvoll, das Cello zugleich  lyrisch, fügen sie zwei wesentliche Aspekte zusammen. Enders hat eine souveräne Klangkontrolle, er musiziert sicher am Abgrund des Möglichen - meisterlich stabil. Im dritten (Rondo) Satz dann herrlich tänzerische, schwingende Elemente der beiden Instrumente; ein wunderbarer Fluss, jubilierend. Heftiger Beifall.

Getragen von größter Spielfreude ging das Duo dann Beethovens Sonate für Cello und Klavier D-Dur op102,2 in drei Sätzen an. Prägend waren hier zum einen dramatische, teils stürmische Interaktionen. Dann wieder lief es traumhaft verhalten, sinnlich und getragen von tiefem Gefühl. Im Zweiten eine grandiose lyrische Artikulation, die Instrumente schwelgen förmlich in der Musik, schaffen ein unerhört kraftvolles und intensives Geschehen - schön und auch nachdenklich. Im Dritten dann eine vitale Dramatik, eine exquisite Geschlossenheit. Schließlich zügiges Erklimmen des Dynamikgipfels; alles mit äußerster Transparenz.

Für ein apartes Kapitel sorgte dann Avo Pärts "Fratres" für Cello und Klavier. Es begann mit zartem Cello, allmählich sich steigernd, mit kontrastivem Klaviereinsatz, das Cello dann wieder ganz leise und dann wie auf Flügeln mit tollem Gefühl, sodann die akzentuierten Elemente in einen großen Schwall aufgelöst - fast ein Dialog. Pärt findet hier zu einer dramatischen Klangsprache, ein Gewitter, das sich wieder legt und in Stille ausrollt.

Das Finale mit Beethovens Sonate für Cello und Klavier A-Dur op. 69 in drei Sätzen rundet den Abend stilvoll und inhaltlich stimmig ab. Mit triumphierender Eröffnung, dann lebhafter Verspieltheit kreisen die Instrumente um ihr Thema, umschlingen einander förmlich, ein intensives Drama mit souveräner Klarheit. Hering und Enders reizen hier noch einmal mit fantastisch sicherer Gestaltung die Grenzen der Instrumente aus. Im Zweiten dann forsch marschierende Fröhlichkeit, schönste dynamische Interaktion und am Ende ein heiteres Tupfen (Klavier) und Zupfen (Cello). Im Dritten beruhigt sich der Duktus bis in die Stille, um dann in sausende Klavierläufe zu münden, die das Thema in Richtung Gipfel vorantreiben, die Spannung steigt körperlich spürbar - schließlich erklingen große gemeinsame Schlussbögen und -figuren. Auch hier ist die schon erlebte souveräne Transparenz auch in den Forte-Passagen zu erleben, eine absolut plastische Realisierung der genialen Komposition auf den Punkt.

Als Zugabe dann ein wunderschöner, intensiver romantischer Kontrapunkt mit dem langsamen Satz aus Rachmaninovs großer Cellosonate op. 19. Große Emotionen, sichtbar ein Herzensprojekt der Musiker. Sehr langer, heftiger Beifall des Publikums.