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Gießener Allgemeine vom 26.1.2022

Kontinuierliche Steigerung

Anna (l.) und Ines Walachowski beim Schlussapplaus. © Sascha Jouini

Gießen Zur Eröffnung der Winterkonzertsaison im Rathaus erfüllte der Meisterkonzertverein den Wunsch mehrerer Abonnenten und mietete für das Klavierduo Walachowski zum hauseigenen Steinway einen zweiten Flügel hinzu. Eine kostspielige Angelegenheit, die Ausnahme bleiben wird.
Die Schwestern Anna und Ines Walachowski hatten 2018 im Levi-Saal bei Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate C-Dur KV 521 zwar einen soliden Eindruck hinterlassen, konnten jetzt aber bei der 1781 entstandenen Sonate D-Dur KV 448 nicht restlos überzeugen. Im Allegro-Kopfsatz gerieten Läufe mitunter wenig transparent, einige Stellen neigten durch übermäßigen Gebrauch des die Dämpfer aufhebenden Pedals zum Verschwimmen. Dessen Verwendung ist bei Mozart zwar vertretbar, sollte aber sehr gezielt sein. So wünschte man sich insgesamt mehr Klarheit. Beim Andante-Mittelsatz ließe sich der sprechende Charakter anschaulicher zur Geltung bringen. Zwar offenbarte die Darbietung eine Fülle klanglicher wie dynamischer Nuancen, blieb aber etwas blass im Ausdruck. Ebensowenig anzusprechen vermochte das Allegro-Finale - musikalischen Witz, Feinsinn und Lebhaftigkeit zeigte das Duo hier unzureichend.

Weit inspirierter spielten die Schwestern an diesem Abend romantische und moderne Musik. So boten sie George Gershwins »Drei Preludes« wesentlich einfühlsamer. Besonders gefielen die kernig-virtuosen, rhythmisch auf den Punkt gebrachten Rahmenstücke. Das Duo steigerte sich von Werk zu Werk. Bei der Szenen aus dem Leben in der osteuropäischen Provinz vergegenwärtigenden »Suite Yiddish« (1985) von Norbert Glanzberg trafen die Pianistinnen sehr schön die grotesken und widerborstigen Momente. Die Musik vermittelte im Gedenken an die Opfer des Holocausts Leid und unbeugsamen Trotz der jüdischen Glaubensgemeinschaft; temperamentvoll das Finale.

Duo steigert sich von Werk zu Werk

Einen rundum positiven Eindruck hinterließ nach der Pause auch Franz Schuberts Fantasie f-Moll für Klavier zu vier Händen. Das Duo spielte sie mit herrlich leuchtendem Klangbild; ausgezeichnet Ines Walachowski im Diskantpart. Emotional berührend zauberten die Schwestern poetische Stimmungsbilder - von leiser Schwermut bis hin zu leidenschaftlichem Drängen. Kraftvoll meisterten sie in ihrer ausgefeilten Interpretation die dramatischen Spitzen.
Die Höhenflüge setzten sich fort bei Darius Milhauds Suite »Scaramouche«. Voller Feuer und Schwung steckte die Musik im ersten Satz. Der Mittelsatz dieser auf die komische Figur der Commedia dell’arte anspielenden Komposition führte in nachdenklich-ruhige Sphären, während zuguterletzt die »Brazileira« in Gestalt einer Samba südländische Mentalität verbreitete.

Maurice Ravels »Bolero« zum Schluss stand mit dem auskomponierten Crescendo sinnbildlich für das ganze Konzert, stellte das Programm vom künstlerischen Niveau doch eine einzige kontinuierliche Steigerung dar. Die zahlreichen Besucher feierten das Duo Walachowski mit begeistertem Applaus. Sascha Jouini

 

 

Gießener Anzeiger vom 4.11.2022

Erst das Staunen, dann die Begeisterung

Gießen. Ein prachtvoller Saisonauftakt der Gießener Meisterkonzerte: Das Klavierduo Anna und Ines Walachowski versetzte das Publikum zunächst in tiefes Staunen und dann in restlose Begeisterung. Ihre Synthese aus technischer Virtuosität und spielerischer Eleganz ließ keine Wünsche offen: Ein Glücksfall.

Die Schwestern waren schon einmal in Gießen zu Gast, nun hatten sie Werke von Mozart, Gershwin, Schubert und Ravel im Programm, zu spielen auf zwei Klavieren oder vierhändig. Zu hören waren auch zeitgenössische Werke von Norbert Glanzberg (1910-2001) und Darius Milhaud (1892-1974). Die aus Polen stammenden Walachowskis sind seit mehr als 20 Jahren auf der Bühne erfolgreich, in der Berliner Philharmonie ebenso wie auf dem Harbin Music Festival in China. In Gießen begannen sie mit Mozarts Sonate D-Dur KV 448. Der verspielte Duktus des Werks wurde federleicht und gefühlvoll umgesetzt. Auffällig war gleich die subtile Dynamikgestaltung bei prachtvoller Klangfülle. Die Unterscheidung zwischen den beiden Instrumenten wurde unmöglich, zu erleben war ein großartiger Gesamt-Klaviersound.

Gershwins Drei Preludes für zwei Klaviere zeigte die Orientierung der Geschwister an, Zeitgenössisches war wichtig. Die Präludien erinnern ausdrücklich an die »Rhapsody in blue«. Zunächst herrschte ein bluesiger Schlenderton, der subtil und behutsam wird, bevor er sich träumerisch fast auflöst; ein famoser Abschluss.
Neugierig war man auf Norbert Glanzbergs Suite »Yiddish für zwei Klaviere«. Das wirkte tänzerisch und hatte ein bluesiges Flair. Selbst in den voluminösen Phasen herrschte dabei eine wunderbare Transparenz. Schubert Fantasie f-Moll op. 102 D940 kam träumerisch und schwebend daher. Im Gegensatz zur doppelten Instrumentierung klang das Stück weniger mächtig - eine kleine Einschränkung. Ansonsten herrschte schwelgerische Fülle und traumwandlerische Sicherheit des Ausdrucks. Darius Milhauds »Scaramouche« op.165b ist geprägt von schnellen Läufen. Musiziert wurde es mit überschießendem Temperament und einem mitreißenden Marschierrhythmus. Das Finale bot dann Sambarhythmen, große Dichte und Geschwindigkeit. Die Schwestern können einfach jede Emotion abbilden.

Ravels »Bolero« ging eher weich angelegt von der Exposition aus in eine runde, durchsichtige Schönheit über. Die Intensität steigerte sich ununterbrochen, wenngleich maßvoll. Inhaltlich gab das nicht so viel her, es waren im glasklaren Klangbild aber kluge Differenzierungen zu genießen. Riesenbeifall, als kräftige Zugabe gab es noch Mozarts »Türkischen Marsch«.