» » » Archiv » Konzerte 23/24 » Erweitertes Klaviertrio Hannover | Sonntag, 17. März 2024, 17.00 Uhr » Presse

Gießener Allgemeine 18.03.2024 (von Sascha Jouini)

Selten gespielte Komponistin inspiriert gewürdigt

Gießen. Die Winterkonzertsaison ist am Sonntag im Hermann-Levi-Saal niveauvoll zu Ende gegangen. Dr. Dieter Lindheimer vom veranstaltenden Meisterkonzertverein brachte es auf den Punkt: Das erweiterte Klaviertrio Hannover sollte unbedingt wiederkommen. Katharina Sellheim (Klavier), Lucja Madziar und Monia Rizkallah (Violinen) sowie Konstantin Sellheim (Bratsche) und Johannes Krebs (Cello) begnügten sich nicht mit dem Wohlbekannten, sondern eröffneten das Konzert bewusst mit der hierzulande selten gespielten amerikanischen Komponistin Amy Beach (1867 bis 1944).

Das erweiterte Klaviertrio Hannover nimmt im Rathaus den Applaus entgegen. © Sascha Jouini

Die hatte das Ensemble erst vor wenigen Jahren entdeckt. Der Beginn von Beachs 1907 entstandenem Quintett fis-Moll schien vielversprechend: Über hellen Streichertönen erhob sich eine Klavierfiguration. Das wirkte atmosphärisch ungemein intensiv. In dieser Adagio-Einleitung weckte das Ensemble Neugier auf den Fortgang der Musik. Der folgende Allegro-Hauptsatz bewegte sich in spätromantischen Bahnen. Im Ganzen lebte die Komposition von der nuancierten Stimmung und der kunstvollen Verarbeitung der Themen. Dabei wirkten der formale Aufbau wie auch die Instrumentation raffiniert. Bedauerlich, dass die produktive Komponistin, die mehr als 300 Werke hinterlassen hat, nur selten aufgeführt wird. Das Ensemble schenkte ihr wohlverdiente Beachtung. Beim filmmusikartigen Adagio konnte man sich von der Gedankenversunkenheit in Bann ziehen lassen, derart inspiriert musizierte das Quintett. Besonders gefiel, wie sich die Streicher und Pianistin in feiner klanglicher Balance die Fäden zuspielten. Das Allegro-Finale bildete mit der drängenden Bewegung und dem dazu kontrastierenden langsamen Mittelteil einen abwechslungsreichen Abschluss. Da zeigte sich noch einmal, mit welcher Begeisterungsfähigkeit das Ensemble die musikalische Perle präsentierte.

Reizvoll schien die Gegenüberstellung des Quintetts f-Moll von Johannes Brahms. Das Werk nahm mit in dramatischere Dimensionen. In weiter dynamischer Bandbreite bot das Ensemble den Allegro-Kopfsatz. Da schienen die Kontraste fein ausgelotet. So spielte die Pianistin - wie schon bei Beach - mit wohldosierter Tonstärke und hielt allen Verlockungen stand, zu dick aufzutragen. Das Ensemble mied im Gegensatz zum Trio Jean Paul beim vorangehenden Winterkonzert klangliche Extreme, das machte die Interpretation zugänglicher. Die profilierten Künstler verstanden es, die Musik in ihrem ganzen Ausdrucksspektrum zu beleuchten - im an Schubert erinnernden Andante ebenso wie im markant akzentuierten Scherzo oder dem anfangs düsteren, dann befreit daherkommenden Finale. Da schimmerte stets der rote Faden durch - bis zur aufgestauten Spannung, die in eine fulminante Schluss-Steigerung mündete. Für den wohlverdienten Beifall dankte das Ensemble mit einer Zugabe.

Sascha Jouini

 

 

Gießener Anzeiger vom 18.03.2024

GIESSEN. Einen famosen Abschluss fanden die Winterkonzerte des Vereins Gießener Meisterkonzerte am Sontag im sehr gut besuchten Levisaal. Das erweiterte Klaviertrio Hannover brannte mit Werken von Amy Beach und Johannes Brahms ein echtes musikalisches Feuerwerk ab, das Publikum war hin und weg.
Katharina Sellheim, Klavier, Lucia Madziar, Violine, Johannes Krebs, Cello, Konstantin Sellheim, Viola, und Monia Rizkallah, Violine, machten zunächst durch ihre Literaturauswahl neugierig.
Madziar ist erste Konzertmeisterin der Staatsoper Hannover, Johannes Krebs unterrichtet als Professor an der Kunstuniversität Graz, und Katharina Sellheim ist Solistin und Begleiterin renommierter Künstler tätig. Konstantin Sellheim ist Mitglied der Münchner Philharmoniker, Monia Rizkallah ist im Orchester der Deutschen Oper Berlin engagiert und unterrichtet an deren Orchesterakademie.
Amy Beachs Quintett in fis-Moll op. 67 für Klavier, zwei Violinen, Viola und Violoncello in drei Sätzen ist hierzulande kaum bekannt.
Es beginnt auch ungewöhnlich, ganz zart mit einem anhaltenden Ton, den dann alle Streicher aufnehmen, ungewöhnlich, ja packend. Das wird zunehmend süffig und auch dramatisch, kräftige Dynamikimpulse kommen hinzu, und das Klavier übernimmt die Führung. Man musiziert nun recht lieblich, um dann zu einer dramatischen, fast melodramatischen Stimmung zu kommen. Dann wieder ein anhaltender Ton, und das Klavier tritt wieder hinzu, ein Klanggebirge wird errichtet. Das ist nun ein anderer Duktus, aber harmonisch und sympathisch. Es läuft ein steter Phasenwechsel zwischen heftig und ruhig, auch melancholisch. Diese Prinzip hält Beach durch, es sorgt dafür, dass der Hörer sich nicht einfach in  schon bekannten Strukturen einrichten kann, sondern ständig andere klangliche Denkanstöße erhält: man horcht auf, ohne schockiert zu werden, die traditionellen harmonischen Grenzen bleiben bestehen. So bleibt man immer gespannt. Auffallend ist, wie werkdienlich Katharina Sellheim sich am Klavier einfügt. Im zweiten Satz fiel Madziars durchgehend lieblicher Geigenton auf, mit besonders präzisen und expressiven Höhen.
Das perfekt geschlossen agierende Ensemble fand zuweilen mit einem kantablen Cello auch zu dunkleren Farben. Eindrucksvolle orchestrale Fülle schuf markante Akzente, wobei auch das Klavier dramatisch vortrat – die Streicher federten das zunächst ab -, und dieser Wechsel schuf einen leicht hypnotischen, melancholischen Duktus. Nach dem Höhepunkt floss dann alles im ruhigen Wechsel weiter.
Im dritten Satz dann ein kurzer abstrakter Schwung, abstrakte Klangszenarien, harfenartige Pizzicati – viele Effekte prägen diesen Abschnitt. Dann allmählich immer intensiver, und das Klavier geht mit.
Johannes Brahms‘ Quintett in f-Moll op. 34 für Klavier, zwei Violinen, Viola und Violoncello in vier Sätzen beginnen die Gäste dramatisch, mit voller Größe und mit differenzierten Interaktionen zwischen Klavier und Ensemble, das auch besonders nahe am Klavier platziert ist. Das hoch dynamische und sehr abwechslungsreiche Material gibt dem Ensemble Gelegenheit, mit höchster auch inhaltlicher Geschlossenheit zu musizieren; packend.
Danach schwebt man wunderschön sanft, geradezu dahinschmelzend in eine allmähliche Steigerung, nach der die Musik gleichsam fast verrinnt. Ein sehr kantabler Duktus prägt diese Phase, bevor eine große ruhige Dynamik nachfolgt.
Auch ein gefühlsschwerer Auftakt ist im Spektrum, fest fröhlich und kraftvoll, mit deutlicher tänzerischer Energie wird er zum großen Geschehen aufgebaut, das kurze heitere Exkurse einschließt. Der Schluss fällt dann auch rhythmisch äußerst vielfältig aus, nach einer furiosen Exposition des Finales folgen noch ein paar originelle Stilvariationen.
Neben makellosem Handwerk begeistern die Gäste mit ihrer exzeptionellen inhaltlichen Klarheit und Sicherheit, mit der sie einfach die Musik entstehen lassen, ohne die geringste Einschränkung. Das Resultat ist ein packendes emotionales Erlebnis. Ihre hoch interessante Stückauswahl macht das Konzert endgültig zu einem außerordentlichen Erlebnis; das Publikum ist hingerissen.