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Gießener Allgemeine vom 27.2.2023

Klangvolle Ausdruckskraft und Klaviertrio-Meilensteine

(Sascha Jouini)

 

Das Trio Jean Paul nimmt im Rathaus den Applaus entgegen. © Sascha Jouini

 

Gießen - Klaviertrio-Meilensteine bot das Trio Jean Paul beim jüngsten Winterkonzert. Der rege Publikumszuspruch im Hermann-Levi-Saal bewies, welch großer Beliebtheit sich diese Kammermusikgattung erfreut. So ergänzen sich Klavier, Violine und Cello mit ihrer unterschiedlichen Klangcharakteristik vorzüglich - nicht nur auf der Konzertbühne, sondern auch im häuslichen Rahmen.

Langen Atem demonstriert

Johannes Brahms gilt als der Komponist schlechthin, der diese klassische Tradition zu ihrem Höhepunkt führte. Eckart Heiligers (Klavier), Ulf Schneider (Violine) und Martin Löhr (Cello) spielten in der ersten Programmhälfte dessen Trio Nr. 1 H-Dur op. 8. Für Christian Martin Schmidt ist der vorgestellten Frühfassung von 1854 »formale Unbekümmertheit, spontane Erfindung und rhapsodisch weiter Atem« zu eigen, die in der Revision von 1889 »einer gleichsam klassizistischen Strenge geopfert wurden«. Ebensolchen langen Atem demonstrierte das Ensemble beim weitläufigen Hauptthema des Allegro-Kopfsatzes und steigerte es kraftvoll. Nach einer Überleitung wechselte der schwärmerische Gestus ins Elegische. In allen drei Instrumenten stach die klangvolle Tongebung hervor. Leidenschaftlich-drängenden Passagen verliehen die Musiker markantes Profil, doch gerieten auch ruhige Momente ansprechend.

Allerdings erschien die Darbietung streckenweise zu opulent. So wäre es besser gewesen, den Steinway-Flügel nur halb zu öffnen, dieser Eindruck festigte sich im Verlauf des Abends.

Zuweilen zielten die Künstler zu sehr auf unmittelbare Wirkung. Dies passte beim schattenrissartigen Scherzo zwar gut, beim Finale jedoch nicht durchgängig. Die Streicher gaben hier den ganzen Bogen dran und der Pianist reizte das Volumen des Flügels aus. Mehr in Bann zu ziehen vermochten die in die Ferne schweifenden Gedanken beim Adagio. Verströmte die Musik hier sehnsuchtsvoll-fragende Züge, so mutete das Schluss-Allegro mitunter wie eine resolute Antwort an.

Das Ensemble blieb nach der Pause, in Robert Schumanns Trio d-Moll op. 63, seiner klang- und ausdrucksstarken Linie treu, setzte im ersten Satz temperamentvoll die Vortragsanweisung »Mit Energie und Leidenschaft« um. Ein wenig kurz kam zum Ausgleich der lyrische Abschnitt mit den zart im dreifachen Piano am Steg spielenden Streichern.

Besonders gefiel der mitreißende Schwung im zweiten Satz, derart beherzt musizierte das Ensemble. Beim langsamen dritten Satz wünschte man sich die schmerzvollen Abgründe noch ein wenig poetischer beleuchtet. Das Werk klang aus mit einem optimistischen, »mit Feuer« versehenen Finale und riss das Publikum zu kräftigem Beifall hin; eine Zugabe folgte. Sascha Jouini

 

 

 

Gießener Anzeiger vom 17.1.2024

Ein wahrer Klangsturm

Von Heiner Schultz

Mit Faible für Romantiker: das Jean Paul Trio. Foto: Schultz © Schultz

Das hochkarätige Trio Jean Paul glänzt mit Brahms und Schumann im Gießener Hermann-Levi-Saal.

Gießen. Ein wahrer Klangsturm toste am Dienstag durch den Levi-Saal, als das Trio Jean Paul sein Gastspiel gab. Die Interpretation von Werken von Johannes Brahms und Robert Schumann begeisterte das Publikum. So viel Emotionen und Überzeugungskraft auf so hohem Niveau erlebt man sehr selten. Und die Zugabe setzte noch ein Glanzlicht obendrauf: ein toller Abend.

Fast vollbesetzt war der Levi-Saal, und die Spannung war kurz vor Beginn bereits deutlich spürbar. Ulf Schneider (Violine), Eckart Heiligers (Klavier) und Martin Löhr (Cello) sind ein seit 20 Jahren eingespieltes Ensemble, das auf den größten Bühnen Europas Triumphe feiert. »Sie fahren heute noch weiter nach Italien. Wir dürfen uns also mit Neapel vergleichen«, sagte Dieter Lindheimer vom Vorstand des gastgebenden Vereins Gießener Meisterkonzerte nur halb ironisch.

Johannes Brahms Klaviertrio Nr. 1 H-Dur op. 8 ist ein ungewöhnliches Werk. Der Hamburger verfasste es 1854 und überarbeitete es 1889 radikal mit dem Ziel, Unzulänglichkeiten zu verbessern. Diese Fassung gilt als die »gültige«. In Gießen spielte das Trio dennoch die Urfassung. Mit romantischem Tonfall ging es los, mit superber Rhythmusgestaltung und zugleich lebhafter Dynamik, zu spüren war eine geradezu übermütige Leichtigkeit. Innige Passagen berührten, dann schmeichelte süffiger Schmelz und sanft verträumte Emotionalität dem Ohr. Das Publikum genoss souverän gestaltete Nuancen und eine packende Gestaltung des Themas. Perfekt miteinander verzahnte Dynamikattraktionen wurden eingefügt, dazu kleine Timing-Finessen. Insgesamt war das wunderbar erzählerisch und abwechslungsreich musiziert, mitsamt deutlicher Spuren wienerischen Charmes, wo der Komponist 1897 starb.

Das Adagio wurde fast zärtlich eingestimmt, ein langsam schreitendes Finden des Themas mit Übergang fast ins Feierliche, ein Absinken der Emotionen - es herrschte ein Duktus wie in einem Gespräch.

Im vierten Satz herrschte eingangs eine Art verheißungsvolle Unruhe, als stünde etwas Bedeutsames bevor, man ahnte klangliche Wucht voraus - die aber nicht kam. Stattdessen eine ruhige Neu-erörterung des Themas und ein Finale mit üblicher Intensität. Insgesamt herrschten ein großer Schwung und ein herzhaftes Volumen nebst traumhaft sicherem Zusammenspiel. Enormer Beifall, das Publikum zeigte sich berührt.

Anweisungen des Komponisten

Sodann: Robert Schumanns Klaviertrio d-Moll op. 63 aus dem Jahr 1847 in vier Sätzen. Hier finden sich die Anweisungen auf Deutsch. »Mit Energie und Leidenschaft« wollte der Romantiker den ersten Satz gespielt wissen. Daran wurde sich gehalten. Zudem herrschte eine expressive Geschlossenheit, die das sprudelige Fließen transparent umsetzte. Kraftvolle Akzente, Cello-Effekte und häufige Spannungswechsel gehörten zum vielfältigen musikalischen Bild: es war etwas weniger strukturiert und leicht chaotisch. Dann folgten wieder einnehmende innige Momente.

Schön rund geriet der zweite Satz (»Lebhaft, doch nicht zu rasch«), sogar fast stürmisch. Auch hier »redeten« die Streicher miteinander, es gab kleine, elegant verschlungene Wendungen; das war leichtfüßig angelegt und umgesetzt. Das Klavier floss fugenlos kongenial in und um die Strukturen herum und setzte mühelose eigene Akzente. Schließlich schwelgerische, fast elegische Streicherklänge mit bildschönen Nuancen, man spürte eine tiefe Versunkenheit und emotionale Symbiose der Akteure, das Ganze wurde überaus bewegt und schließlich »Mit Feuer« souverän abgeschlossen.

Als Zugabe präsentierte das Jean Paul Trio den zweiten Satz aus Schumanns g-Moll Trio op. 110 (»ziemlich langsam«). Und das war nach den vorangegangenen Werken ein idealer Abschluss. Überaus innig wurde musiziert, die Musiker agierten enorm stimmig - einfach golden. Minutenlanger Applaus des beglückten Publikums; das Trio musste dreimal zurückkommen.

Den nächsten Auftritt in der Reihe Gießener Meisterkonzerte bestreitet am Sonntag, 17. März, um 17 Uhr das Erweiterte Klaviertrio Hannover, wie immer im Hermann-Levi-Saal. Infos unter giessener-meisterkonzerte-ev.de.